Weniger ist mehr

Die Wäsche-Praktiken vergangener Monate sind nicht spurlos an meinen Klamotten vorbeigegangen: „Weiss“ ist nicht mal mehr „Grau“. Glaubt mir, selbst Persil kann hier nichts mehr retten. Vom Geruch nach abgestandenem Wasser fange ich gar nicht erst an. Ersatz isch bitter nötig. Kein Ort eignet sich da besser als Kuala Lumpur, die Hauptstadt Malaysias. KL, wie man die Stadt unter Asien-Reisenden nennt, ist für ihre unzähligen Shopping-Malls bekannt. Gut muss ich hier flugtechnisch sowieso einen Zwischenstopp einlegen.

Leicht planlos betrete ich ein Einkaufszentrum und mir bleibt der Atem stehen. Auf zehn Stockwerken verteilen sich hunderttusigmillione Läde. Okay, es sind 700. Aber ez mal im Ernst: 700?! Schaufenster voll mit irgendwelchem Kram schreien: „Schnäppchen! Sale!“. Mehr Angebot, als ein Mensch in seinem ganzen Leben braucht. Auf einen Schlag wird mir klar, was hier für ein abartiger Überfluss herrscht. Wer chauft das alles?!

Während den letzten Monaten in Sri Lanka, Indien und Myanmar sah ich Familien, die nur das Nötigste besitzen. Die sich mit heissem Wasser und Strom ganz glücklich schätzen. Da gibts keine Supermärkte mit 20 verschiedenen Tomatensaucen und keine Hochglanzmagazine mit den „Trends der Saison“. Und jetzt eifach so öppis. Wo bleibt denn hier das Verhältnis? Ich bin sprachlos. Auf der Suche nach einem neuen T-Shirt von solchen Emotionen überrumpelt zu werden, habe ich so gar nicht erwartet. Hätte es mich ebenso fest schockiert, wenn ich direkt aus der Schweiz angereist wäre? Wahrscheinlich nicht.

Minimalismus als Lebensstil, der sich auf das Notwendige und Wesentliche reduziert, interessiert mich aber schon länger. Ursprünglich, weil ich furchtbar unordentlich war. Ich hatte nämlich viel zu viel Zeugs. Zu viele „Oh, das isch herzig“ und „Das muessi eifach ha“. Die damalige revolutionäre Ausmistaktion war ein Erfolg. Beim Vorbereiten für diese Reise hiess es erneut: Nur das Nötigste packen. Ich sattelte schlussendlich 14kg + 2kg Handgepäck. Damit sei ich ganz gut unterwegs, hani gmeint. Denkste. Mittlerweile traf ich Jungs, die mit zwei Badehosen, zwei T-Shirts, eineinhalb Unterhosen und einem Zahnbürsteli reisen. Das wäre selbst für mich etwas zu viel „Leben am (Wäsche-)Limit“.

Aber do häts mer ez grad komplett abglöscht. Ich miste meinen Rucksack nochmals rigoros aus. Gut hats in Kuala Lumpur Kleiderspenden an jeder Ecke. Trotz dem ganzen Angebot gibts nämlich immernoch viele, die nichts haben. Nicht nur mein Rücken dankt mir. Ich fühle mich, als würde ich hier ein Zeichen setzen. Wenn auch nur für mich selbst. Doch das ist nur der Anfang: Mir grauts vor all den Habseligkeiten, die ich bei Mami und Papi eingelagert habe. Gleichzeitig freue ich mich auf Erinnerungsstücke. Und Jeans und Sneakers! Hier muss ich wohl noch eine Balance finden. Meine Lektion fürs Leben habe ich aber gelernt: Weniger ist Mehr.

Von wegen „Weniger ist Mehr“: Teure Hochhäuser wie die Petronas Twin Towers (hinten links) prägen die Skyline Kuala Lumpurs. Auf den meisten befindet sich ein Pool oder eine Bar. Oder beides. Die wahren Schätze der Stadt, wie die Jalan Alor Foodstreet, verstecken sich aber in den Gässchen zwischen all den Türmen.
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