In Valparaiso begrüsst mich zuerst mal ein Terremoto. Was das isch? Ein Erdbeben! Jedoch nicht ein geologisches, sondern ein alkoholisches. Die Chilenen scheinen auf das Gebräu aus Pipeño (fermentiertem Wein) und Ananas Glacé regelrecht abzufahren. Ich weniger. Durchgeschüttelt hats mich nämlich echt heftig, so widerlich wars. Der Namensgeber hat wohl dieselbe Erfahrung gemacht. Der Vollständigkeit halber muss ich hier aber hinzufügen, dass Valpo seit eh und je immer wieder von Erdbeben heimgesucht wird. Passt aso scho.
Geschichtlich kann man hier noch ein bisschen mehr ergänzen: Valparaiso war dank dem direkten Meerzugang einst wichtigstes Handelszentrum Chiles. Und was eine Hafenstadt sonst noch so mit sich bringt? Na, die Klassiker natürlich: Dunkle, schäbige Ecken und verruchte Geschichten. Wilde Matrosen und so. Valpo ist heute noch immer es bitz schmuddlig, bitz dräckig und zimli kriminell. Aber auch kreativ, jung und frech. In der Tat gibts hier richtig schöne Ecken. Die Stadt verteilt sich nämlich über diverse Hügel, worunter der Cerro Alegre und Cerro Concepcion wohl die malerischsten sind. Farbenfrohe Häuser säumen die steilen Hänge und Pflasterstein ziert die Strassen. Hie und da verbinden alte Standseilbahnen die tieferen mit den höheren Gefilden. Richtig was fürs Auge! Mein liebster Augenschmaus sind aber die charakteristischen, farbigen Hüsli. Nume wieso gnau isch Valparaiso so e farbigi Stadt? Einst wurden beim Häuserbau Containermaterialien eingesetzt. Ist ja naheliegend, bei einer Hafenstadt. Das Material war anno dazumals günstig und auch wetterfest. Nur der Rost, der machte sich irgendwann bemerkbar. Deshalb wurden die Materialien stets neu gestrichen. Und zwar mit den Farben, die von den Schiffen im Hafen grad so verfügbar waren. Deshalb ist bis heute hier mal ein bisschen Grün, dort etwas Rot. Und ich muss schon zugeben, wenn alles so wahnsinnig bunt ist, dann erscheint mir selbst eine nach Urin stinkende Gasse irgendwie herzig.
Doch zum hübschen Stadtbild tragen auch die zahlreichen Graffitis ihren Teil hinzu. Streetart an Häuserwänden, ein berühmtes Klavier auf Treppenstufen oder hier und da ein provokativer Sticker? Alles dabei. Aber die Kunst ist nicht nur schön zum Anschauen, sondern regt auch zum Nachdenken an. Hier ein Graffiti über die Gentrifizierung, dort eines gegen Rassismus und natürlich darf auch das obligatorische Anti-Trump Material nicht fehlen. Durchaus gesellschaftskritisch und philosophisch gehts hier zu und her. Kein Wunder lebte Pablo Neruda, der berühmte chilenische Dichter und Literaturnobelpreisträger, ebenfalls in Valparaiso. Sein ehemaliges Wohnhaus, die „Sebastiana“, ist heute ein beliebtes Museum. Hoch über der Stadt thront sie mit Blick auf die Bucht und die Hafenkräne. Mol, ich kann mir schon vorstellen, wie man hier beim Schreiben inspiriert wird. Träumen darf man, oder?
