Ich verabschiede mich von Santiago und meinem Reisebuddy. Ab jetzt gehts wieder alleine weiter. Muss ehrlich zugeben, dass mir das „Alleine Reisen“ mehr zusagt. Klar ists schön, Freundschaften zu schliessen, die über ein paar Tage hinausdauern. Und ich mag Erinnerungen schon gern mit Menschen teilen. Aber lieber mit Mehreren! Denn zu zweit unterwegs zu sein, das ist wie eine Komfortzone. Bequem, gemütlich. Aber es schränkt auch ein. Alleine ist man zugänglicher, kommt leichter ins Gespräch mit allen und jedem. Man interagiert intensiver und aktiver. Und wird auch mehr gefordert. Und ohni e chlini Challenge wär’s ja langwilig, oder? Das Verlassen der Komfortzone, der Austausch mit vielen spannenden Menschen und das Verfolgen eigener Ideen, das sind für mich ehrlichgesagt mega wichtige Hausaufgaben beim Reisen.
Und was will ich ez eigentli als Nöchsts? Wohin des Weges? Ich spreche immer noch kein Spanisch (schäbig, gäll) und sehne mich nach etwas „Heimeligem“. Mal länger als ein, zwei Nächte an einem Ort bleiben. Und ich will Freiwilligenarbeit leisten. Neues Lernen, Altes zurückgeben. Irgendwie so. So suche ich nach einem Projekt mit einem sozialen oder ökologischen Aspekt. Zudem muss der Ort geographisch mit Surfen und Spanisch sprechen einhergehen. Ich durchforste diverse Projekte, aber finde nix seriöses. Auf den letzten Drücker sticht mir dann ein Hostel ins Auge. In Chile’s Capital del Surf, in Pichilemu. Sie suchen jemanden, der mit Marketing und Englisch helfen kann. Well, here I am! Nicht gerade das, was ich mir gewünscht habe, abär wieso eigentli nöd?! Immerhin legen sie Wert auf Nachhaltigkeit und Mindfulness. Ich sage „Hola“ und bekomme umgehend eine Zusage.
Eine dreistündige Busfahrt später empfangen mich meine Mitarbeiterinnen aus Chile, Argentinien und Deutschland sowie mein Chef aus Venezuela. Ebenfalls begrüssen mich ein gut geregelter Arbeitsplan und drei Hunde. Wir arbeiten fünf Tage die Woche. Jeder hat sein Talent, so helfe ich mit Digital Marketing, während andere den Garten neu bepflanzen, vegane Kuchen fürs Frühstück backen oder die Wände mit Kunst verzieren. Sonst teilen wir uns die Hostel-Tasks: Mal Zmorge machä, mal Putzen und fleissiges Bettenwechseln. Apropos: Händer schomal s Bettzüüg uf me wacklige Stockbett gwächslet? Bhu! Und dann gibts da noch die Rezeptionsschicht. Der blanke Horror. Die Gäste, fast alle Spanisch sprechend, überfordern mich beim kleinsten Bedürfnis. Habe keinen Plan, was ein Toalla oder eine Colcha sind. Wenn das Telefon klingelt, schiesst mein Stresslevel durch die Decke. Mit 100 km/h kommen Fragen dahergeballert. Ich verstehe kein Wort. Was sölli machä? Eifach abhänke? Ich fühle mich zurückversetzt in die ersten Stunden meiner Ausbildung zur Kauffrau als 15-Jährige. Déjà vu. Nun, eins kann ich schon mal vorweg nehmen: Spanisch telefonieren ist heute kein Problem mehr.
