Wir verlassen Argentinien via Colonia Suiza. Einer „Schweizer Kolonie“! Nebst waldiger Natur und ein paar Hüüsli im Schwiizer-Stil hat das Ganze aber wenig authentisch helvetischen Charakter. Nach dem Abstecher ins Schweizerland folgt zurück in Chile ein letzter Besuch im deutschen Territorium. Man munkelt, dass sich rund um das Dorf Frutilla (Erdbeere) einst die Nazis versteckten. Weit hergeholt scheint das nicht, denn: An mancher Türe steht „Nur für Mitglieder des Deutschen Vereins“. Der Adler ist allgegenwärtig. Das einzige Plus: Hier gibts richtig leckeren Apfelstrudel. Mit Vanillesauce!
Und so kommt der Roadtrip zum Ende. Wir geben unser Auto nach exakt sechs Wochen wieder ab. Unsere sieben Sachen verschenken wir einem schottischen Pärchen, das im alten Dodge Ram der Panamericana entlang reist. Für uns gehts dann direkt in den nächsten Nachtbus: Ab in den Norden, ab in die Wärme, ab nach Santiago de Chile. Die Hauptstadt empfängt uns nach 14 Stunden mit wenig Schlaf und viel Babygeschrei. Aber shit happens, d’Nachbuure chammer sich halt nöd immer ussueche. Belohnt werden wir dafür mit unserem AirBnB: Fünf Tage heimeliger Altbau, heiss duschen und es rächts Bett. In der Nachbarschaft Barrio Lastarria findet der Szeni fein rausgeputzte, qualitative Strassenmärkte. Auch architektonisch und kulinarisch bleibts attraktiv. Wie wärs mit Empanadas im schwarzen Sesamteig? Oder hausgemachtem Artesanal Cerveza? Aber hät natürli alles sin Priis, gäll.
Santiago hat aber etwas für jeden. Am besten gefällt mir der Barrio Yungay. Dort treffen diverse Kulturen aufeinander: Menschen jeder Herkunft und in allen Altersklassen wohnen hier. Zimli multikulti. Sonst ist Santiago leider krass in Einkommensklassen oder gar Nationalitäten aufgeteilt. Die Reichen wohnen in Las Condes, die Einwanderer aus Haiti nicht. Yungay hingegen ist ein aufstrebendes Quartier mit jungem Flair und altem Charme. Wenn ich nach Santiago ziehen würde, dann klar hier hin. Wie überall birgt die Gentrifizierung aber auch ihre Gefahren. Bleibt zu hoffen, dass Yungay eine Nachbarschaft mit spazierenden Kätzli und bezahlbaren Lofts bleibt. Am Ostende von Yungay befindet sich noch das Menschenrechtsmuseum. Ein absolutes Muss. Es weist einerseits auf internationale Menschenrechtsdelikte hin, dokumentiert aber primär die chilenische Diktaturperiode unter Augusto Pinochet. Die Ausstellung geht echt unter die Haut und zeigt nochmals eine ganz neue Seite dieses facettenreichen Landes auf.
Wer nach diesem Brocken erstmals den Kopf lüften muss, schnappt sich ein Citybike und radelt dem Fluss entlang in Richtung Osten. Erst durch kleine Stadtparks, bis man eine regelrechte Naherholungszone betritt. Mit Seen und gratis Liegestühlen. Auf dem Rückweg noch auf ein Feierabendbier in Providencia stoppen. In den lebendigen Bars lässt sich der Städtetrip wunderbar ausklingen. Salud!
