Chicha, Caseritas und Pachamama

In Sucre prallen Einflüsse verschiedener Nationen und Kulturen aufeinander. Hier eine weisse Kathedrale, dort traditionell gewebte Stoffe der Jalq’a Kultur. Sucre war während der Spanischen Herrschaft eine bedeutende Stadt, das kann man nicht verleugnen. Die unzähligen Kolonialbauten und die Gegenwart von über einem Dutzend Kirchen auf engstem Raum sind eindeutige Spuren. Apropos Kirchen: Diese sind unterirdisch alle mit Gängen verbunden. Die Spanier hielten das Tunnelsystem im Falle einer Revolution als Fluchtroute bereit. Wir selbst klettern in einen solchen Tunnel und lauschen einer fürchterlichen Geschichte: Einst fand man hier drin jede Menge Babyskelette von unehelichen Kindern der Nonnen. Heftig, aber leider auch nicht ganz so überraschend. Ich hingegen frage mich, wieso ich nun schon wieder auf allen Vieren unter der Erde rumkrieche?! Aber ja.

Ab dem 16. Jahrhundert verdienten die Spanier & Co. ihr Geld zwar in Potosi, lebten aber lieber in Sucre. Drum ist die Demografie der Stadt bis heute sehr multikulturell. Auch seien die Menschen hier sehr offen, es gäbe kaum Rassismus-Probleme gegenüber Nachkommen der indigenen Völker. Das sei in La Paz leider anders. Doch warum lebt(e) es sich in Sucre so angenehm? Der Höhe wegen: Mildes Klima, fruchtbares Land und zudem kann man hier entspannt atmen. Ich muss zugeben, auch ich spaziere wesentlich gemütlicher und ohne eine halben Herzkasper. Ächli durch das Markttreiben bummeln, frische Früchte einkaufen und der Caserita noch ein “Yapita” abschwatzen. Läuft! Die Caserita ist übrigens die Marktfrau. Sobald man „seine Caserita“ gefunden hat, ist man praktisch zur Stammkundschaft verpflichtet. Dafür kriegt man aber bessere Preise und eben auch ein Yapita. Das kann ein Probiererli einer neuen Frucht oder etwas Nachschub beim frischgepressten Saft sein. Oder no bitz meh Chicha! Das ist ein alkoholisches Getränk aus Mais und wird oft aus einem Glas mit Brüsten getrunken. Jap, richtig gelesen. Ein älterer – zimli sicher betrunkenä Herr – erklärt mir im heiligen Ernst, dass ein Kind seine Stärkung ja auch aus den Brüsten der Mutter kriege. Deshalb würden die Männer den Chicha auch „aus den Brüsten“ trinken. Si, claro. Und immär dra dänke: Dä ersti Schluck muess an Bodä gleert werdä! Das macht man nämlich so, um die Pachamama zu ehren. Sie ist die Göttin der Fruchtbarkeit, die alles Leben kreiert: Mutter Erde. Darum geht der erste Schluck „in die Erde“.

Auch spannend: Für die Jalq’a – ein anderes indigenes Volk – ist die Hölle der fruchtbarste Ort, wo alles Leben entsteht. Auf ihren Teppichen und Läufern stellen sie häufig das bunte Treiben in der Hölle dar. Dabei ist der Mensch meist nur ein kleiner Knirps zwischen Insekten, Kühen und anderen Kreaturen. Was das bedeutet? Sie sahen uns Menschen nur als unwichtige Spezies im grossen Tierreich. Das find ich ja mal en schöne Asatz!

Herzig: Die Spanier liessen sich bei der Namensgebung dieser Gassen von den pelzigen Bewohnern inspirieren. Hier regierte el Gato Negro (schwarze Katze), nebenan el Gato Blanco (weiss) und zu guter letzt gabs noch el Gato Pendenciero (zänkisch).
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