„Die Carretera Austral im Norden Patagoniens ist eine der schönsten Strassen der Welt.“ Der Satz aus einem Reisebericht blieb hängen und mir war klar: Unser Trip startet entlang der Carretera Austral, auch bekannt als Ruta 7. Erwartige hämmer kei, Plän au nöd. Wie immer verlasse ich mich komplett auf eine Handvoll Artikel im Internet. Habe aufgehört, stundenlang eine genaue Route auszutüfteln. Was einst mein liebstes Hobby war, hat mittlerweile an Reiz verloren. Ich brauche die Sicherheit nicht mehr. Viel lieber lasse ich mich überraschen, will im Vorfeld keine Fotos sehen.
Bevor wir auf die sagenumwobene Carretera Austral einstechen, gibts aber noch einen Stopp bei den Petrohué Wasserfällen. Türkisblau und eisig schiessen wahnsinnige Wassermassen durch die Felsschluchten. An Baden ist nicht zu denken. Stattdessen beeindruckt der Kontrast zwischen dichtem, grünen Wald und dem leuchtenden Wasser. Überraschenderweise erinnert mich die Natur ungemein an die Nordinsel Neuseelands: Viele Farne und von Moos überwachsene Wurzeln. Hola du subtropischer Regenwald!
Dann, weiter südwärts, empfängt sie uns, die Ruta 7. Schön asphaltiert! In Sachen „Strassenzustände“ haben wir nämlich lustige bis schockierende Erfahrungen gelesen. Wo? Auf iOverlander! An all die Camperfreunde dieser Welt: Diese App ist pures Gold und praktisch die einzige Basis unserer Routen- und Schlafplatzwahl für Patagonien. Die App beherbergt einen Haufen Rückmeldungen vieler Reisenden: Stellplätze zum Wildcampen, offizielle Campingplätze, Angaben zu Duschen mit heissem Wasser, Tankstellen, windgeschützte Ecken zum Kochen oder Mechaniker und Co. Mega praktisch!
Landschaftlich bleibts stets spektakulär: Mal es bitzli Schwiiz, mal à la Neuseeland und fünf Minuten später blickt man in die Fjorde Norwegens. Chuum zum Glaube! Verabschiedet habe ich mich aber schweren Herzens von geteerten Strassen. Seit Stunden tuckern wir auf holprigen Kieswegen. Ohne Sicht auf Besserung. Anfangs fahre ich noch vorsichtig, denn: Wir haben einen nigelnagelneuen Mietwagen ohne einen einzigen Kratzer gekriegt. Na bravo. Der erste Schlafplatz in der Wildnis ist idyllisch an einem Fluss gelegen. Am Morgen köcherle ich auf der Picknickdecke sitzend Frühstück. Heisse Haferflocken sind nötig, denn die Nächte bleiben kalt. Zum ersten Mal kommen Zweifel auf, ob wir doch Campingstühle und ein Tischli hätten kaufen sollen. Dann landet aus dem Nichts ein rie-si-ger Kondor neben mir. Holy shhh! Der Traum jedes Tierfotografen wird wahr. Aber ich frage mich ernsthaft, ob der Vogel mich oder meine Haferflocken anvisiert. Schnäll wäg do! Holprig aber eindrücklich gehts drum weiter. Wir schlängeln uns durch dichtes Grün, mal auf, mal ab. Kommt mir vor, als gäbe es kein Ende. Stimmt aber nöd. Die Strasse endet abrupt: Im Meer. Hää? Ahh, wir müssen auf die Fähre! „Händer ä Reservation?“ „Öhm, nei?“
