Die Nachbarn zu Besuch

Schon mal neben 3’000 Jahre alten Handabdrücken übernachtet? Nei? Mir scho! An einer Felswand unweit von unserem Schlafplätzli haben Ureinwohner mit roter und grüner Farbe ihre Handabdrücke hinterlassen. Weshalb der Spass? Sei Teil eines kulturellen Rituals. Zurecht fragt man sich: Grüne und rote Farbe anno dazumals, wie soll das gehen? Einfach Guanacofett und Eisenoxid zusammenbrauen. Und dann aufsprühen, indem man es durch einen Guanacoknochen bläst. Cool, nöd?!

Doch eigentlich sind wir ja zum Wandern hier in Villa Cerro Castillo. Am Horizont thronen sie schon, die spitzigen Felsen des gleichnamigen Cerro Castillos. Da wollen wir morgen hoch und drum ist frühe Bettruhe angesagt. Nur Domingo, unser Nachbar, dä haltät da irgendwiä nüt devo. Maximal angetrunken will er uns motivieren, ihn ins Dorf an eine Fiesta der Gauchos zu fahren. Klar doch, nichts lieber als einen besoffenen Fremden im Dunkeln off-road rumchauffieren. Ein Freudentänzli mache ich nicht wirklich, aber es könnte schlimmer sein. Also los gehts! Vamos! Nur Mitfeiern will ich auf keinen Fall, habe meine wilden Tanzerfahrungen von gerade kürzlich nämlich noch nicht verdaut. Zurück beim Nachtlager lässt Nachbar Nr. 2 – ebenfalls betrunken – nicht lange auf sich warten. He nei, bitte nöd nomal so eine. Der Typ nähert sich in gefährlich betrunkenen Stürchel-Schritten. Ich möchte unauffällig die Autotüren von innen schliessen und drücke die Zentralverriegelung. Vergesse natürlich, dass dann die ganze Karre nochmals in allen Regenbogenfarben aufleuchtet. Front- und Rücklicht sowie Innenraum erstrahlen in vollster Pracht. Top. Läuft. Einmal kurz die ganze Aufmerksamkeit auf uns gezogen: Hallo Nachbar!

Die Wanderung selbst ist dafür ein wahres Highlight. Ein Tag für die Geschichtsbücher. Sage und schreibe 36 Grad meint das Thermometer, der heisseste Tag des Sommers meint ein Chilene und endloses Schwitzen meine ich. Beim Trailhead gibts gratis Sonnencreme. In Patagonien, wo sonst genau gar nix gratis ist! Das muss was heissen. Und dann gibts noch einen dicken Ast als Wanderstock. Auch das muss was heissen. In der Tat gehts drei Stunden hoch, drei Stunden runter. So steil und lose, dass man beim Runterlaufen gleichlang kämpft, wie beim Hochkraxeln. Es isch würkli nöd ganz ohni. Der Flachländer müht sich einen ab, aber ich mache den Wanderschweizer: „Durähebä!“ Und es lohnt sich: Am Ziel lässt der Blick auf die eisblaue Gletscherlagune die Krämpfe sowie Schnappatmung sofort vergessen. Hier lässts sich aushalten. Zurück im Dorf ist die Gaucho Fiesta nach wie vor in vollstem Gange: Traditionell gekleidete Gauchos reiten auf tänzelnden Pferden durchs Dorf. Im Hintergrund weht die chilenische Flagge unter strahlend blauem Himmel. Bei lokalgebrautem Honigbier lagern wir die Füsse hoch und betrachten den Cerro nochmals von unten: Mol, es laht sich ushalte do. Pröstli!

Ein herrlicher Sommertag: Wenn nicht gerade eine Gaucho Fiesta herrscht, wirkt das Leben im kleinen Dörfli Villa Cerro Castillo ziemlich gemütlich. Nöd?
Werbung

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: