Meine Kommunikation in Pichilemu besteht vorerst mal aus Handzeichen. Hier deuten, dort winken. Zu uns gesellten sich nämlich noch zwei Kolumbianer, die ebenfalls kein Wort Englisch sprechen. Und eine Baaaaslerin! Nach ewiger Abstinenz ist jetzt zwar der Austausch auf Schwiizerdütsch gesichert, mein Spanisch jedoch so gefordert wie noch nie.
Gut hilft mir der vielbeschäftigte Alltag beim Lernen. Oder: Laht mer kei anderi Wahl. An Interaktionen mit der Anwohnerschaft fehlts auch jedenfall nicht. Jeden Mittwoch und Samstag geh ich auf die Feria, den lokalen Bauernmarkt. Dort kaufe ich frisches Gemüse und Früchte. Vor allem der Kürbis ist bombastisch. Nur beim Bezahlen herrscht stets Planlosigkeit: „Mil setecientos ochenta y nueve, por favor!“ Ein Schweizer Franken ist knapp 700 Pesos. Na Bravo. Bei den ersten paar Mal halte ich immer ein möglichst grosses Nötli hin. Und dann, plötzlich – auf wundersame Art und Weise – kann ich mir die Zahlen merken. Dasselbe gilt für die Namen der Lebensmittel, von Utensilien in der Küche, im Bad. Auch die Verben gehen zackig. Nur mit den gefühlt hundert Zeitformen hapert’s bis heute. Isch abr Wurscht, verstah duet mi glich jede. Ich quatsche mit dem Velomech, mit der Bäckersfrau, im Line-Up beim Surfen und mittlerweile auch ziemlich fliessend mit den Gästen an der Rezeption sowie am Telefon. Und im Notfall zücke ich ein paar französische Begriffe und versuche mein Glück mit einem „a“ oder „o“ am Wortende. Klappät imfall ganz guät!
Funktioniert hätte das alles aber nie, wenn ich nicht von einer so engen Community umgeben wäre. Stellt euch vor: Sieben Frauen 24 Stunden auf einem Haufen. Und kein Zickenkrieg. Stattdessen gibt’s wilden und herzhaften Austausch zu kulturellen Eigenheiten, politischen Situationen und Feminismus. Kein Wunder bei einem Trüppli aus einer Soziologin, einer Psychologin, einer Pâtissière, einer Grafikerin, einer Heiltherapeutin, einer Studentin und meiner Wenigkeit. Unser Hühnerhaufen analysiert auch die Männer des Kontinents. Wer ist denn nun der feurigste Lover!? Geduldig ertragen dies die Vertreter der männlichen Minderheit, unser Chef, ein Ingenieur und ein weiterer Freiwilliger, ein DJ.
Jeder führt mich in seine Kultur ein. Ich „muss“ spanische Klassiker-Songs singen, nächtelang zu Reaggeton tanzen und nachmittags um 14 Uhr eiskalte Margeritas mit Salzkruste trinken. Auch Pisco Sour und Rum gehören degustiert. Ich lerne, wie man venezolanische Arepas formt, schnipple ein Kilo Koriander für ein würziges, chilenisches Pebre und begiesse alles mit einer guten Flasche Carménère. Aus der Region, versteht sich. Fix mein neuer Lieblingswein. Ich realisiere, wie wertvoll gemeinsames Kochen und Dinieren sind. Wie es aus wild zusammengewürfelten Menschen eine Familie formen kann. Kaum zu glauben, dass ich dafür fast 26 Jahre gebraucht habe. Abr besser spaht als niä.
