Kathmandu im Ausnahmezustand: Mitsamt einer gefühlten Million Nepali packen wir unsere Sachen aufs Autodach und verlassen die Stadt. Wozue diä Völkerwanderig? Während 15 Tagen feiert ganz Nepal das grösste religiöse Festival „Dashain“. Kaum einer arbeitet noch, alle reisen zu ihren Familien und zelebrieren den Sieg der Hindu Götter über die Dämonen. Darum überraschen uns die Besitzer unsers kleinen Yogastudios ganz spontan: „Ihr kommt alle mit zu unserer Familie!“ Auf geht’s!
Nach ein paar kurvigen Fahr- und Staustunden heissts für unser Yoga-Trüppli plötzlich: Raus aus dem Büssli, rauf auf die Ladefläche eines Jeeps. Wir holpern vorbei an kleinen Dörfli, wo riesige, selbstgebastelte Dashain-Schaukeln aus Bambus stehen. Damit kann man negative Gefühle wegschaukeln. Voll praktisch, nöd? Dann stechen wir steil den Berg hoch. Allrad isch vo Vorteil. Wohi gönd mir gnau!? Die letzten paar Steinstufen erklimmen wir zu Fuss. Und plötzlich simmer do: atem- und sprachlos. Wir thronen auf 1250 m.ü.M., blicken in ein weites, saftiges Tal, auf Reisfelder und farbige Gärten. Die mächtigen 8000er Gipfel des Annapurna-Gebirges zieren den Horizont. Willkommen in Riepe!
In diesem Dörfli leben knapp zehn Familien. Sie wohnen in einfachen Bauernhäuschen aus meist einem einzigen, grosszügigen Raum. Dazu gibts eine Handvoll Ziegen und manchmal gar einen Büffel. Der Altersdurchschnitt liegt geschätzt bei 70 Jahren, weil es den Nachwuchs zum Arbeiten in die Städte zog. Manch ein Bergdörfli ist aufgrund dieser Abwanderung vom Aussterben bedroht. Damit das nicht passiert, wurde in Riepe ein kleines, feines Tourismusprojekt auf die Beine gestellt. Jedes Hüsli erhielt ein hübsches Gästezimmer: Heisses Wasser (wänn au nur für füüf Minutä), ein richtiges WC und bequeme Betten. Die Freude ist riesig, bei uns sowie bei den Gastgebern, denn: Wir sind die ersten Gäste! Die Mamas verwöhnen uns von früh bis spät mit leckeren Currys aus Kichererbsen, Bohnen, Linsen und einer Tonne Gemüse. Dazu gibts frisches Naan oder Chapati. Fast alles aus dem eigenen Anbau und Garten.
Au suscht herrscht do grad echli Hochbetriib. Kinder, Enkel, Erwachsene, Grosseltern und die 94-Jährige Urgrossmami – alle feiern gemeinsam Dashain. Und teilen ihre Kultur mit uns! Zusammen klatschen und tanzen wir im Kreis zur Musik. Die Dorfälteste segnet uns mit einem Tika: Jeder kriegt einen Punkt aus rot eingefärbtem Reis auf die Stirn geklebt. Nur an einem Morgen erklärt unser Homestay-Papa, dass wir die Yogaklasse doch lieber etwas ausserhalb abhalten sollen. Wieso das? Nun, zu Dashain gehören zahlreiche Opfergaben. Und heute stehe halt eine Ziege auf dem Gabenplan. Wir Mädels natürlich kurz schockiert, so haben wir die kleinen Geissli fleissig gestreichelt und gefüttert. Dabei hat man uns noch gewarnt: „Schliesst die Tiere bloss nicht zu fest ins Herz!“ Tja, das ghört wohl au dezue.
PS. Wer selbst nach Riepe will – Voilà!
