Auf dem Campingplatz im Parque Patagonia begrüsst uns der Parkranger höchstpersönlich. Thomas, heisst er. Hola! Ich quatsche so lang mit ihm, bis es fragt, ob wir eine Runde Maté trinken wollen. Abr klar doch! Er teilt seinen Maté, wir unseren Znacht. Heute gibts zum zehnten Mal Linsen und Gemüse. Aber mein Reisepartner ist echt ein Magier in der Küche, sprich auf dem Campingköcherli. Ich bleibe sprachlos, wie er mit den immer gleichen Zutaten jeden Abend etwas Neues, Leckeres zaubert. Apropos: Bei uns herrscht klare Aufgabenteilung. Ich fahre (er hat keinen Führerschein) und er kocht (viel besser als ich).
Aber zurück zu Thomas. Ein spannender Vogel! Seit mehreren Jahren arbeitet er als Ranger. Davor studierte er aber Kunst, ist Lehrer. Doch damit fände man keinen schlauen Job. Deshalb habe er seinen Master in Biologie und noch ein Diplom in Biostatistik gemacht. Seine Arbeit im Nationalpark gefällt ihm, auch wenn es teilweise sehr einsam sei. Dafür durfte er an der Gestaltung des Museums mitarbeiten, von dem ich letzte Woche erzählt habe. So cool! Zugleich äussert er sich dezent kritisch, ob die Regierung die Qualität des Parks aufrechterhalten könne. Oder ob der Park irgendwann vielleicht doch verkauft würde? Er selbst besitzt Land an den Parkgrenzen und möchte dort ein Earthship bauen. Ein komplett nachhaltiges, selbstversorgendes Gasthaus. Darum sammelt er die Abfälle der Gäste und recycelt diese zu Eco-Ziegelsteinen. Da geht mir als alte Recyclerin (Kambodscha) natürlich das Herz auf.
Während die Sonne untergeht, meint Thomas: „Jetzt ist Puma-Zeit, kommt!“ Auf einem Hügel zeigt er uns, wo er überall schon Pumas begegnete. Wir liegen auf der Lauer, sichten aber keinen Puma. Nur ein paar wilde Hasen. Dann lädt er uns zum Tee in seinen winzigen Wohnwagen ein. Jap, mir händ do de ganz Tag Kafiplausch. Zu dritt durchforsten wir ein Biologiebuch mit Zeichnungen aller Tiere und Pflanzen Chiles. Dann, auf unerklärliche Art und Weise, wird plötzlich wild diskutiert. Eben noch bei Llamas, gehts aufs Mal um die Sphären der schwarzen Löcher im All, die Effekte von südamerikanischen Kräutern auf die Aktivität der Hirnregionen, die spirituellen Fragen unseres Daseins, die Dimensionen von Raum und Zeit. Es scheint, dass die beiden Herren den grössten Fundus an (un)nützem Wissen teilen. Mir fällt das Hirn fast auf den Tisch. Aber ich muss auch laut lachen, denn etwas haben wir wohl alle gemeinsam: So viel Zeit, uns tatsächlich für all diese Fragen zu interessieren. Was für ein Privileg. Eines, das ich während meinem Berufsalltag nicht hatte. Heute schnappe ich jeden Tag etwas Neues auf, lese viel, höre Podcasts in den endlosen Bus- und Autofahrten. Und dann schliesst sich der Kreis. Plötzlich sitzt man mit einem bis soeben wildfremden Ranger zusammen, trinkt nachts Tee mitten im Nirgendwo und hat jede Menge Gesprächsstoff.
