Beim Grenzübergang Hito Cajon auf 4’480 Metern kämpfe ich zum ersten Mal so richtig mit der Höhe. Mir ist superschlecht und ich kann kaum 20 Meter laufen, ohne dass mir das Herz in der Stirn pocht. Kurz den Pass stempeln und los geht die eigentliche Reise: Hola Bolivien! Im 4×4 Überlebensmobil begeben wir uns für drei Tage auf Entdeckungstour. Gestartet wird im Nationalpark Reserva Nacional de Fauna, wo wir mit Vollgas durch den Wüstensand brausen. Vorbei zieht die weite, karge Landschaft. Für Abwechslung sorgen dann idyllische Lagunen. Welch surreale Farbwelt: Violett trifft auf Hellgrün, auf Gelb und auf Hellblau. Rundherum das süsse Nichts. Flamingos spazieren durch die Laguna Blanca. Wovon diese leben? Sie fressen Algen. Wie das Überleben von Pflanzen hier überhaupt möglich ist? Der Mineralgehalt der Lagune erlaubts! Die verschiedenen Mineralstoffe sind es auch, die ein solches Farbenspiel erst erlauben. Später besuchen wir ein Geysir-Feld, wo alles in türkis, grau und orange brodelt und spritzt. Und dann verändert sich die Landschaft: Einsame Felsformationen prägen die pittoreske Salvador-Dali-Wüste. Sie macht ihrem Namensgeber alle Ehre, so scheinen diese Szenen glatt einem seiner Gemälde entsprungen zu sein. Oder umgekehrt.
Geschlafen wird am wohl kältesten Ort aller Zeiten. Ich habe gedacht, kälter als Patagonien muss ich nie (üb)erleben. Denkste. Die Nacht verbringen wir in einem sehr simplen Refugio, mitten in Nirgendwo. Der Sternenhimmel ist mal wieder zum Greifen nah, doch so richtig geniessen können wir das nicht. Viel zu kalt hier! Wie zwei unbewegliche Raupen bibbern wir uns auf dem Steinbett in den Schlaf. Unter fünf Schichten aus Klamotten, Schlafsack und Decken begraben. Nachts wache ich auf und kann kaum atmen. Das liegt teils an der Raupen-Situation, aber primär an der dünnen Luft auf über 5’000 M.ü.M.
Für mittleres Erstaunen sorgt aber unser Fahrer und Guide. Meist erzählt er uns Spannendes. Nur an einem Punkt erklärt er, dass die besonderen Gesteinsschichten dieser Landschaft hier nach der biblischen Sintflut entstanden seien. Ich verbleibe kurz ungläubig, ob es sich dabei um einen Witz handelt? Aber nei, alles im heilige Ernscht! Doch schockieren tut mich das nicht. Ist halt eine andere Realität. Schockieren tun mich vielmehr – mal wieder – die Touristen. Ein ignorantes Volk, das teils Sondergleichen sucht. Besuchen wir eine Felsformation, die Millionen Jahre alt ist (oder halt so alt wie der Noah und seine Arche). Der Fahrer sagt: Betreten verboten, man weiss nie, wann etwas instabil ist. Und spricht ja nüt gäg es bitzli Respekt vor de Natur, oder? Was denkt sich die Tourimasse? Los, raufklettern! Gefühlt auf jeden Stein muss man sich draufstellen. Hier fürs Foto posen, dort ranhängen und für Instagram grinsen. Ich kann kaum hinschauen. Und dann erklingt mir Mami’s Stimme im Ohr: Bis eine brüelt…
